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Arbeitsmedizin

Historik

Die Arbeitsmedizin gilt als ein sehr junges Fach und weist doch eine lange Tradition auf. Bernadino Ramazzini (1633 – 1714), ihr „Begründer“, ordnete erstmals in einer systematischen Aufstellung bestimmten Berufsgruppen spezifische Krankheitssymptome zu. Neben den Gewerbetreibenden stand vor allem der Bergbau bis Ende des 19. Jahrhunderts im Fokus der wenigen arbeitsmedizinisch interessierten Ärzte.

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Arbeitswelt durch drei industrielle Revolutionen geprägt. Zunächst die Mechanisierung durch Dampfkraft in den neuen Fabriken, die zu Arbeitsteilung, vorgegebenen Arbeitszeiten und Arbeitsrhythmen, Belastungen durch Lärm, Hitze und giftige Substanzen führte, danach die Massenfertigung durch das Fliessband und zuletzt der Einzug der Mikroelektronik. Die vierte industrielle Revolution steht mit der Digitalisierung der Arbeitswelt („Industrie 4.0“) vor der Tür, die zu immensen Veränderungen führen wird.

Im Industriesektor waren die neuen Risiken besonders augenfällig. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts breiteten sich eine in der damaligen Zeit noch nicht bekannte Sozialgesetzgebung ein. Hier wurde der Grundstein der noch heute gültigen  Unfall-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung gelegt. Der Aufstieg der risikoreichen chemischen und elektrotechnischen Industrien im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert verstärkte das Bedürfnis nach einem griffigen Arbeitsschutz weiter.

1912 kam im zweiten Anlauf das Kranken- und Unfallversicherungsgesetz zustande, das im Unfallbereich die bisherige Haftpflichtregelung durch eine obligatorische Versicherungspflicht ersetzte und einen Grossteil des Unfallversicherungsmarktes verstaatlichte. Die Durchführung der staatlichen Unfallversicherung wurde 1918 der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) übertragen. Unterstellt waren industrielle und gewerbliche Berufe. Die Suva legte den Unfallbegriff breit aus: auch anerkannte Berufskrankheiten und Freizeitunfälle waren mitversichert. Parallel dazu verstärkten die Bundesbehörden 1920 den Frauenarbeitsschutz, insbesondere durch das Verbot von Frauenarbeit in gesundheitsgefährdenden Beschäftigungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg übertrug das Arbeitsgesetz von 1964 den Arbeitsschutz auf den Dienstleistungssektor. Seit 1984 sind alle unselbständig Erwerbstätigen, auch jene im Agrarsektor, der obligatorischen Unfallversicherung unterstellt. Kantonale Arbeitsinspektorate kontrollieren die Einhaltung des Arbeitsgesetzes und der Vorschriften des Unfallversicherungsgesetzes. Sie werden durch die eidgenössische Arbeitsinspektion beaufsichtigt und koordiniert.

Eine Sonderrolle innerhalb der Arbeitsrisiken nehmen Berufskrankheiten ein. Sie sind gegenüber den Arbeitsunfällen oft schwerer zu diagnostizieren, nicht zuletzt wegen ihres schleichenden Verlaufs. Die Suva hat sich mit der Aufnahme ihres Betriebs 1918 entschieden, anerkannte Berufskrankheiten in den Versicherungsschutz aufzunehmen. Seitdem werden von der SUVA mehr als 80 Berufskrankheiten anerkannt, mit weiterhin steigender Tendenz. Die Diskussion um Berufskrankheiten hat sich in den letzten Jahren in neue Richtungen entwickelt. Dabei rückten zunehmend Gesundheitsstörungen mit komplexen Ursachen in den Blick, die nicht unter den herkömmlichen Begriff der Berufskrankheiten fallen. Unter dem neuen Begriff der psychosozialen Risiken werden Risiken für die Gesundheit zusammengefasst, die durch ein ungünstiges Klima am Arbeitsort und eine ungünstige Arbeitsorganisation und -gestaltung ausgelöst werden. Zu solchen berufsassoziierten Störungen gehören Stress, Burnout oder diffuse Rückenbeschwerden. Ab 2014 hielt das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) die Arbeitsinspektorate dazu an, ihr Augenmerk auf die Prävention von psychosozialen Risiken zu lenken.

Globalisierung und Strukturwandel in der Arbeitswelt beeinflussen die Anforderungen und das Berufsbild der Arbeitsmedizin erheblich. Die Gesundheitsförderung und Prävention aufgrund u.a. dem demografischen Wandel in der Arbeitselt durch eine älter werdenden Arbeitnehmerschaft führt dazu dass due Beratungsmedizin im Vergleich zu der Untersuchungsmedizin eine immer grössere Rolle spielt.

Dem Arbeitsmediziner bietet sich eine Fülle von hochinteressanten Aufgaben in der Akut-, Präventiv- und Beratungsmedizin, in der betrieblichen Rehabilitation sowie bei der moedernen Arbetisplatzgestaltung. Die Arbeitsmedizin wird sich in Zukunft in der Arbeitsweit weiterhin zunehmend etablieren, so dass die Arbeitsmedizin in Ergänzung zu der kurativen Medizin einen grossen Beitrag bei der Erhaltung und Förderung der Gesundheit der Menschen leisten wird.


Bibliographie:  Michael Busch, Schaad, Nicole (2003), Chemische Stoffe, giftige Körper: Gesundheitsrisiken in der Basler Chemie, 1860-1930 Zürich, Lengwiler, Martin (2006), Risikopolitik im Sozialstaat. Die schweizerische Unfallversicherung 1870-1970. HLS / DHS / DSS: Arbeitsmedizin, Arbeitszeit, Fabrikgesetze, Suva